Rohini Devasher ist „Künstlerin des Jahres“ 2024 der Deutschen Bank
Die Deutsche Bank zeichnet Rohini Devasher als „Artist of the Year“ 2024 aus. Die 1978 in Indien geborene Künstlerin studierte Malerei und Grafik und lebt in Delhi. In ihrer vielschichtigen künstlerischen Arbeit beschäftigt sie sich mit den Überschneidungen von Naturwissenschaft, Kunst und Philosophie. Erstmals hat die Kunstexpertin Stephanie Rosenthal, Direktorin des Guggenheim Abu Dhabi Project, drei Künstler*innen vorgeschlagen, aus denen die Bank Rohini Devasher auswählte.
„Artist of the Year“ zeichnet vielversprechende Künstler*innen aus, die schon ein künstlerisch wie gesellschaftlich relevantes Werk geschaffen haben, das die beiden Schwerpunkte der Sammlung Deutsche Bank einbezieht: Arbeiten auf Papier oder Fotografie. Statt wie bisher von einer dreiköpfigen Jury mit internationalen Kurator*innen nominiert ab 2024 eine Persönlichkeit aus der globalen Kunstwelt Künstler*innen für die Auszeichnung der Bank.
Stephanie Rosenthal, Direktorin des Guggenheim Abu Dhabi Project, leitete bis 2022 den Gropius Bau in Berlin. Davor hatte sie führende kuratorische Positionen an der Hayward Gallery, London, und dem Haus der Kunst in München inne. 2016 war sie künstlerische Leiterin der 20. Biennale von Sydney und saß 2019 der Jury für die 58. Internationale Kunstausstellung der Venedig-Biennale vor.
Mehr Zur Ausstellung im Palais Populaire erfahren sie hier: Rohini Devasher: Borrowed Light – PalaisPopulaire
Zeige Inhalt von Künstlerische Positionen mit forschungsbasiertem Ansatz
Rohini Devashers Projekte entstehen häufig in Zusammenarbeit mit Forscher*innen, Amateurastronom*innen und wissenschaftlichen Institutionen wie dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte (MPIWG) oder dem CERN, der Europäischen Organisation für Kernforschung. Sie verbindet wissenschaftliche Experimente und Erkenntnisse, die sich mit physikalischen Phänomenen der Wahrnehmung auseinandersetzen, mit eigenem künstlerischem Material zu installativen Projekten.
„Rohini Devasher ist die erste indische Künstlerin, die wir als „Artist of the Year“ auszeichnen, und zugleich die erste Position, die Kunst und Wissenschaft miteinander verbindet,“ so Britta Färber, Leiterin Kunst und Kultur der Deutschen Bank. „Ich danke besonders Stephanie Rosenthal. In Zeiten ökologischer und humanitärer Krisen hat sie eine Künstlerin vorgeschlagen, die uns auf poetische und rationale Weise anhält, bestehende Vorstellungen der Welt und unseres Platzes darin zu überdenken.“
„Rohini nutzt einen forschungsbasierten Ansatz, um komplexe Erzählungen zu schaffen, die sich mit den Dringlichkeiten unseres täglichen Lebens befassen“, ergänzt Stephanie Rosenthal. „Mit der Zeichnung als Medium erforscht sie gesellschaftliche Strukturen und kulturelle Dynamiken und bietet dem Betrachter einen bewussten und kontemplativen Raum inmitten des digitalen Lärms.“
Zeige Inhalt von Offenbart Mehrdeutigkeit der Beobachtung
Beispielhaft für das Werk von Devasher ist ihr 4-Kanal-Film „One Hundred Thousand Suns“ (2023). Die Arbeit umfasst materielle, persönliche wie historische Dimensionen und bezieht sich auf über 100.000 Porträts der Sonne, die seit über einem Jahrhundert im Sonnenobservatorium von Kodaikanal in Indien entstanden sind. Durch die Verbindung von Archivmaterial des Observatoriums, öffentlichen Bildern der NASA und ihren eigenen Daten bringt Devasher uns die Sonne näher. So offenbart sie die Komplexität und Mehrdeutigkeit der Beobachtung und stellt die Wahrnehmung von Daten als scheinbar neutral in Frage.
„One Hundred Thousand Suns“ ist bis zum 24. März im Minnesota Street Project (San Francisco), bis zum 2. Juni in der Ausstellung “The Creation of Science” im Museum Catherijneconvent (Utrecht) und bis zum 14. April in der Schau „Punya 2.0“ der Kunsthalle Bern zu sehen. Ab Mitte April wird er im Dr. Bhau Daji Lad Museum (Mumbai) gezeigt.
„Artists of the Year“ der vergangenen Jahre
La Chola Poblete 2023
Geboren 1989 in Mendoza (Argentinien), ist La Chola Poblete die vierzehnte von der Bank geehrte Künstler*in. Die Argentinierin setzt sich kritisch mit den Folgen von Kolonialismus und weißer Vorherrschaft in ihrer Heimat auseinander. In Gemälden, Aquarellen, Skulpturen, Installationen und Performances reflektiert sie ihre indigenen und queeren Wurzeln und widersetzt sich der Stereotypisierung und Exotisierung indigener Völker. Als Teil der Auszeichnung wird La Chola Poblete im Herbst 2023 im Berliner PalaisPopulaire ihre erste Einzelausstellung in Europa präsentieren.
LuYang 2022
In Schanghai geboren, zählt LuYang zu den bedeutendsten asiatischen Gegenwartskünstler*innen und ist in diesem Jahr „Artist of the Year“ der Deutschen Bank. LuYang gehört zu einer jungen, von Science-Fiction, Manga-, Gaming- und Technokultur inspirierten Kunstszene in China, die mit hypermodernen Technologien arbeitet und sich dabei mit den Ideen von Post- oder Transhumanismus beschäftigt. In diesen Denkrichtungen wird erforscht, wie man die Grenzen menschlicher Möglichkeiten durch den Einsatz von High-Tech erweitern kann. Das Außergewöhnliche an LuYangs Werk ist, dass hier das Posthumane im Kontext von buddhistischen und hinduistischen Kosmologien steht.
Nach dem Studium an der China Academy of Arts in Hangzhou, lebt und arbeitet LuYang in Schanghai. Seit 2015 an zahlreichen Gruppenausstellungen weltweit beteiligt, aktuell bei The Milk of Dreams, 59. Biennale Venedig. Einzelausstellungen waren in Peking, Moskau und zuletzt in Aarhus und Erlangen zu sehen und ab Ende September in der Zabludowicz Collection. 2019 ausgezeichnet als BMW Art Journey-Preisträger*in.
Maxwell Alexandre 2021
Der 30-jährige Maxwell Alexandre wurde in Rocinha, Rio de Janeiros größter Favela, geboren, wo er heute noch lebt und arbeitet. Seine Gemälde, Performances und Installationen sind vom Alltag in Rocinha inspiriert, kreisen um Rassismus und Polizeigewalt, Gemeinschaft und Spiritualität. Immer wieder tauchen Referenzen an Ikonen der schwarzen Kultur auf, Jean-Michel Basquiat, Nina Simone oder James Brown. Zugleich ist Alexandres künstlerische Praxis stark von den Ideen der evangelikalen Kirche geprägt, der er heute nicht mehr angehört. Alexandre, der aus der Skater-Szene kommt, hat mit Freunden A Noiva, eine Art Künstlerkirche gegründet, die ihre eigenen Platten herausbringt, Kunstwerke als Gebete und das Studio als Tempel betrachtet. In Brasilien ist er bereits ein Star.
Conny Maier 2021
Auch die in Berlin geborene Conny Maier, die in ihrer Heimatstadt und im portugiesischen Baleal arbeitet, ist ein Phänomen. Im Laufe der letzten Jahre hat die gelernte Modedesignerin, die ein Modelabel gründete, als Malerin für Furore gesorgt. Die kreisrund zum Schrei geöffneten Münder ihrer Figuren sind zu einer Art Markenzeichen geworden. In Maiers Gemälden verbinden sich neo-expressiver Ausdruck mit einem ausgeprägten Gespür für Farbe und Komposition. Dabei steht in ihren eindrücklichen Werkzyklen die existenzielle Wechselbeziehung zwischen Mensch und der in einer Vielfalt von Tieren personifizierten Natur im Zentrum.
Zhang Xu Zhan 2021
Zhang Xu Zhan wurde 1988 als Sohn einer Familie geboren, die seit Jahrhunderten mit traditionellen Papierfiguren handelt, die in Taiwan bei rituellen Zeremonien oder Beerdigungen genutzt werden. Mit dieser Tradition beschäftigt er sich in seinen Animationsfilmen, Skulpturen und Video-Installationen. Zhang Xu Zhan baute Modelle von Luxushäusern oder gigantische Puppen aus Papier. Zu seinen Hauptwerken zählen seine im Stop-Motion-Verfahren gedrehten Filme, für die er filigrane Figuren und Landschaften aus Pappmaché fertigt. Zhang Xu Zhan schafft darin einen fantastischen Kosmos, der von Fabelwesen, singenden Tieren und Pflanzen und Naturgeistern bevölkert ist und von uralten Ritualen beherrscht wird - eine Welt, die apokalyptisch und märchenhaft zugleich ist.
Caline Aoun 2018
1983 in Beirut geboren, gehört Aoun zu einer Generation junger libanesischen Künstler, die nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges 1975 im Ausland aufwuchsen und dort auch ihre Ausbildung absolvierten. Sie studierte in London am Central Saint Martins School of Art and Design und den Royal Academy Schools, um 2012 an der University of East London ihren Doktor in Bildender Kunst zu machen. Ursprünglich nutzte Aoun die Malerei als konzeptuelle Strategie, um den Medienbildern, denen sie ausgesetzt war, eine weitere Ebene medialer Vermittlung hinzuzufügen. Doch kurz nach ihrem Abschluss entschloss sie sich, die Malerei aufzugeben und begann mit Fotografie und digitalen Drucktechniken zu experimentieren.
Kemang Wa Lehulere 2017
Eine unglaubliche Geschichte verbirgt sich hinter dem ersten Bild in Kemang Wa Lehuleres Ausstellung Bird Song. Es scheint, als habe der Künstler unter dem weißen Putz der KunstHalle das Fragment eines Wandgemäldes aufgespürt. Tatsächlich handelt es sich aber um die Reproduktion eines Bildes aus dem ehemaligen Haus von Gladys Mgudlandlu. Sie war die erste schwarze Künstlerin Südafrikas, deren Bilder in den 1960ern regelmäßig in Galerien ausgestellt wurden – trotz der Apartheid. Wegen ihrer Vorliebe für Vögel wurde sie auch „Bird Lady“ genannt. Doch Mgudlandlu Ruhm verging schnell. Als sie 1979 starb, zählte ihr Werk so wenig, dass die Wandbilder ganz einfach übermalt wurden.
Basim Magdy 2016
Körperlose Stimmen sprechen von der Flüchtigkeit der Erinnerung. In der Stille der Wälder blicken uns Steinmonumente an, als wollten sie uns wissen lassen, dass sie uns alle überleben werden. Sie sind von einer verlaufenden Aura aus strahlender Farbe umgeben. Insekten gleiten über die Oberfläche eines Teiches und schwirren davon. Basim Magdys 2014 entstandener Film The Many Colors of the Sky Radiate Forgetfulness zieht den Betrachter in einen meditativen Sog aus Bildern, Klang und Text – und in eine Zeit, in der die Apokalypse scheinbar bereits stattgefunden hat. Die Natur holt sich ihr verlorenes Territorium zurück. Der Mensch ist bis auf einige Relikte schlichtweg vergessen. Und auch diese Überreste zeugen nicht von einer ruhmreichen Vergangenheit. Es sind Kriegsdenkmäler oder ausgestopfte Tiere – museale Objekte, die Schlachten, Tote und die Unterwerfung der Natur feiern.
Koki Tanaka 2015
Der japanische Künstler Koki Tanaka bezieht sich auf die Geschichte des „Kunst-Aktivismus“ und bezeichnet seine Arbeit als eine sanfte, aber nachhaltige Annäherung an diese Bewegung. Seine Ausstellung als „Künstler des Jahres“ 2015 in der Deutsche Bank KunstHalle, A Vulnerable Narrator, gleicht einer Werkstatt, die Projekte, Ideen und Dokumente aus fast einem Jahrzehnt miteinander verknüpft. Sie dokumentiert den Weg von Tanakas frühen Experimenten mit Massenprodukten und Materialien bis zu seinen späteren Gemeinschaftsaktionen und Performances. Videos wie Everything Is Everything (2006) oder Walking Through (2009) erinnern an Versuchsreihen, in denen er Billigwaren aus Haushaltswarenläden und Baumärkten verschiedenen Tests unterwirft. Den 1975 geborenen Künstler interessiert die Frage, mit welcher Sensibilität und Offenheit wir vertraute alltägliche Dinge wahrnehmen und wie wir ein neues Verhältnis zu ihnen entwickeln können.
Victor Man 2014
Victor Mans Gemälde wirken, als wären sie im Laufe der Jahrhunderte nachgedunkelt. Ihnen haftet etwas Sakrales an, wie Bildern oder Devotionalien, die im Dämmerlicht von Kapellen oder Kirchen hängen. In unserer aufgeklärten, medialisierten Welt, in der alles Oberfläche ist und die Dinge „ans Licht“ gebracht werden müssen, erscheinen sie wie aus der Zeit gefallen. Sie entführen den Betrachter in einen geheimnisvollen Kosmos, in dem sich im Schutz der Finsternis merkwürdige Metamorphosen vollziehen. Belebtes und Unbelebtes, Menschliches und Tierisches, Männliches und Weibliches sind in Mans Werk im ständigen Austausch und wie bei einem alchimistischen Prozess in der Verschmelzung begriffen.
Imran Qureshi 2013
Es scheint, als hätten die überdimensionalen goldenen Ovale, die im zentralen Raum der Deutsche Bank KunstHalle hängen, die Blutfarbe aufgesogen. Im Inneren der Eiformen sprießen Blüten aus verschüttetem Rot. Wie durch feine Äderchen pulsiert das Rot über die Leinwände, tröpfelt, spritzt, fließt. Imran Qureshis Gemälde sind kalt und warm zugleich. Mit Blattgold überzogen strahlen sie eine fast sakrale Strenge aus. Sie hängen im Raum wie Ikonen. Doch in ihrem Inneren ist alles voller Bewegung, organisch, schmutzig, menschlich. Qureshis Arbeiten vermitteln beides – eine geradezu virale, anarchische Energie und extreme Kontrolle. Diese Spannung ist bestimmend für sein gesamtes aktuelles Werk. Sie bezeichnet einen ganz grundsätzlichen, realen Konflikt. Ordnung kann Klarheit und Ruhe schaffen, aber sie kann auch einengen und unterdrücken. Veränderung, Unruhe, Zerstörung sind das, was wir fürchten: Sie können in Gewalt, und Blutvergießen münden. Zugleich bilden sie die Grundlage für jeden schöpferischen Prozess, für die Entstehung von etwas Neuem.
Roman Ondák 2012
Roman Ondák schärft unseren Blick für Konventionen und Hierarchien – sei dies im Kunstbetrieb oder in der Gesellschaft. Seine Installationen und Aktionen stellen die bestehenden Verhältnisse subtil, aber sehr bestimmt in Frage. Scheinbar Selbstverständliches zu hinterfragen, um so Ideen für die Gestaltung unserer Zukunft zu entwickeln, ist auch Ziel des Kunstengagements der Deutschen Bank. Deshalb werden mit der Auszeichnung „Künstler des Jahres“ Vertreter der internationalen Gegenwartskunst geehrt, die besondere Wege beschreiten. Der Fokus liegt dabei auf jüngeren Künstlern, in deren Oeuvre Arbeiten auf Papier oder Fotografie eine zentrale Rolle spielen. Nach der kenianischen Künstlerin Wangechi Mutu 2010 und der Marokkanerin Yto Barrada 2011 wird nun mit Roman Ondák einer der spannendsten
Protagonisten der osteuropäischen Szene als „Künstler des Jahres“ 2012 der Deutschen Bank ausgezeichnet. Die Entscheidung
für den 1966 in Žilina geborenen Künstler wurde auf Empfehlung des Deutsche Bank Global Art Advisory Council getroffen.
Zu dem Gremium zählen die renommierten Kuratoren Okwui Enwezor, Hou Hanru, Udo Kittelmann und Nancy Spector.
Yto Barrada 2011
Ausgehend von der Situation in ihrer Heimatstadt Tanger, reflektiert die marokkanische Künstlerin, die sich permanent verschiebenden Grenzen Seit über einem Jahrzehnt setzt sich Yto Barrada intensiv mit den gesellschaftlichen Realitäten in ihrem Heimatland Marocco auseinander. Als „Künstlerin des Jahres“ der Deutschen Bank zeigte sie 2011 im Deutsche Guggenheim die Ausstellung Riffs. Nach der Premiere in Berlin gastierte die Schau im Brüsseler WIELS, in der Renaissance Society, Chicago, der IKON Gallery in Birmingham und im Museo d'arte contemporanea Roma (MACRO). 2013 endet die Ausstellungstournee im Fotomuseum Winterthur. In den Frankfurter Deutsche Bank-Türmen ist der Künstlerin eine ganze Etage gewidmet.
Wangechi Mutu 2010
Der Vorstellung, dass sie eine „afrikanische“ Künstlerin ist, die in ihrer Arbeit von der Kultur ihrer Heimat zehrt, setzt Mutu, die seit längerem in New York lebt, multiperspektivische Entwürfe entgegen. Wie viele „Diaspora-Künstler“ verbindet sie Elemente ihrer Heimatkultur mit der des Westens. Dieses Spannungsverhältnis ist ein zentrales Thema ihrer Arbeit.