Die Deutsche Bank feiert ihr 20-jähriges Jubiläum als Global Lead Partner der Frieze Kunstmessen mit einer Serie von 20 Artikeln über 20 vorgestellte Künstler.

Dieser Artikel ist Teil einer Sonderserie anlässlich des 20-jährigen Jubiläums der Deutschen Bank als Global Lead Partner der Frieze Kunstmessen. Er gibt Einblicke auf 20 KünstlerInnen, mit denen wir zusammengearbeitet haben und deren Werke in der Sammlung Deutsche Bank vertreten sind.

  • Imran Qureshi: contemporary practice rooted in tradition

    Die @Deutsche Bank feiert 20 Jahre als Global Lead Partner der @Frieze Kunstmessen. Aus diesem Anlass stellen wir 20 Künstlerinnen und Künstler vor, die in dieser Zeit unser Engagement für die Kunst geteilt haben - mit Ausstellungen, Projekten, Kooperationen oder Werken aus der Sammlung Deutsche Bank.

    2013 war Imran Qureshi "Artist of the Year" der Deutschen Bank. Aus einer uralten unstform, der Moghul- Miniaturmalerei hat der pakistanische Künstler völlig neue Ausdrucksformen erschaffen, die universelle Themen ansprechen: Gewalt, Leid, Spiritualität - und die Hoffnung auf menschlichere Gesellschaften.

    Imran Qureshi stammt aus einem Land, das gleichermaßen durch Umbruch und Unruhe geprägt ist: Pakistan ist nach wie vor zerrissen von politischen und religiösen Konflikten, von alltäglicher Gewalt und Korruption. Aber es ist auch ein Land im Aufbruch, das aus einer reichen kulturellen Tradition schöpft, in dem viele Menschen an einen Prozess des Umdenkens und eine neue, tolerantere Gesellschaft glauben. Zu denen gehört auch der 1972 geborene Qureshi. In traditioneller Moghul Miniaturmalerei geschult, hat er aus dieser alten Kunstform völlig neue Ausdrucksmöglichkeiten entwickelt. In seinen Werken, die das Format einer Postkarte haben oder ganze Gebäudekomplexe mit einbeziehen können, hat er immer wieder die gesellschaftliche Situation in Pakistan angesprochen.

    Imran Qureshi, 'Here and there', 2008, Gouache and gold leaf on wasli paper | Credits: Courtesy the Artist, Corvi-Mora, London and Galerie Thaddaeus Ropac, London, Paris, Salzburg

    Imran Qureshi, 'Here and there', 2008, Gouache and gold leaf on wasli paper | Credits: Courtesy the Artist, Corvi-Mora, London and Galerie Thaddaeus Ropac, London, Paris, Salzburg

    International bekannt wurde er 2011 mit „Blessing Upon the Land of My Love“ , der preisgekrönten Installation, die er für die 10. Sharjah Biennale in den Vereinten Arabischen Emiraten realisierte. Von oben betrachtet sah der weiß gepflasterte Innenhof des ehemaligen Krankenhauses Bait Al Serkal aus wie nach einem Selbstmordattentat: Eine unvorstellbare Explosion aus dunklem Rot, das über die Hauswände spritzt, aus Lüftungsschächten tropft, sich in dichten Lachen sammelt, im Abfluss in der Mitte des Hofes verrinnt. Doch bei genauerem Hinsehen materialisierten sich auf dem Pflasterboden tausende filigrane Blüten, die in unterschiedlich verlaufenden Ornamenten Wege und Inseln formten, am Gebäude emporrankten. Die Installation entstand unter dem Eindruck eines Bombenanschlags auf einem belebten Platz in der Nachbarschaft des Künstlers in seiner Heimatstadt Lahore.

    Die Farbe Rot ist eine klare Anspielung auf Blut und die Opfer von Gewalt, während Qureshis Blumenmotive die Möglichkeit der Erneuerung und des Wachstums heraufbeschwören. Für den Künstler stehen die Blumen, die aus der Farbe auftauchen, für die Hoffnung, dass die Menschen trotz der Gewalt ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft aufrechterhalten Quershis haarfeine, mit Gold und Blüten verzierten Miniaturbildern haftet etwas zutiefst Spirituelles, Existenzielles an. Sie entspringen einer ganz spezifischen Kultur und Geschichte, aus der Biografie des Künstlers, doch sie verkörpern universelle Fragen. So auch das kleinformatige, mit Goldblättern verseherne Bild „Here and There“ (2008), aus der Sammlung Deutsche Bank. Abstrakte Formen symbolisieren ein kosmisches Gefüge, in dem alles miteinander verbunden und beseelt ist. Oft erscheinen auch ovale Formen, die an Eier, Keimzellen neuen Lebens oder Schutzhüllen erinnern, in denen fragile Erinnerungen, Gedanken oder Gefühle gehegt und ausgebrütet werden. „Here and There“ verkörpert dabei die Einheit von Diesseits und Jenseits, Materie und Transzendenz, Vergangenheit und Zukunft.

  • Kandis Williams: history and struggle

    Ornamente der Gewalt und des Widerstands: Die Collagen der in Los Angeles lebenden und arbeitenden Künstlerin Kandis Williams muten an wie Rorschach- Tests. Doch tatsächlich rufen sie mitten in der Ära von „Black Lives Matter“ die rassistische Tradition in den USA und den andauernden Kampf der Schwarzen Bürgerrechtsbewegung ins Gedächtnis.

    Die künstlerische Praxis von Kandis Williams ist außerordentlich vielseitig. Sie umfasst Collage, Performance, Video, Assemblage und Installation. Außerdem, schreibt sie und publiziert mit der von ihr mitbegründeten „Cassandra Press“ aktivistische und akademische Texte. In ihrem Werk legt sie die latent gewalttätigen Mechanismen offen, denen der schwarze, vor allem weibliche Körper unterworfen wird. Dabei bezieht sich Williams auf die unterschiedlichsten Diskurse wie Psychoanalyse, kritische Rassentheorie, Semiotik und Sozialpsychologie – oder auf Themen wie Botanik, Theater oder Ballett. Inzwischen gehört sie in der aktuellen US- Kunstszene zu einer der wichtigsten Stimmen. 2019 wurde für die Sammlung Deutsche Bank auf der Frieze LA „The Oratory Command: X Carmichael King Hampton“ (2016) angekauft, eine Collage aus ihrer Serie „Disfiguring Traditions".

    * Kandis Williams, 'The Oratory Command: X Carmichael King Hampton', 2016 | Credits: © Kandis Williams. Courtesy of Morán Morán.

    Kandis Williams, 'The Oratory Command: X Carmichael King Hampton', 2016 | Credits: © Kandis Williams. Courtesy of Morán Morán.

    Die Arbeit wirkt wie ein Rorschach-Test. Doch tatsächlich setzt sie sich aus Handbewegungen und Gesten von berühmten schwarzen Aktivist*innen und Bürgerrechtler*innen zusammen, in diesem Fall sind es die Hände von Martin Luther King und Stokely Carmichael. Für ihre Serie hat Williams hat Reproduktionen von Händen aus historischen Fotografien gesammelt: Malcolm X' rhetorisch erhobener Zeigefinger, seine offene Handfläche; Gloria Richardsons trotziger Stoß gegen das Bajonett eines Nationalgardisten, Dr. Martin Luther King Jr.'s Hände, die als Ausdruck der Kapitulation nach oben geworfen sind. Diese fotokopierten Gesten wiederholen sich in Kreuzformen, Rastern, Blüten- und Wolkenformen, wie bei dem Blick in ein Kaleidoskop. Williams erzeugt ein Ornament der Gewalt und des Widerstands, eine ebenso poetische Reflektion von Macht und Unterdrückung. Die Aufnahmen sind historisch. Doch die Collagen- Serie nimmt subtil auf die aktuelle politische Lage und den systemischen Rassismus in den USA Bezug - in einer Ära, in der „Black Lives Matter“ zu den wichtigsten aktivistischen Bewegungen der Gegenwart wird.

  • Anish Kapoor: adventures in space

    Anish Kapoors Skulptur „Turning the World Upside Down III“ ist zum Inbegriff für die Kunst im Winchester House, dem Londoner Hauptsitz der Deutschen Bank geworden. Ein kurzer Exkurs in das Werk des Künstlers, der aus Pigmentstaub Farbräume schafft und tonnenschweren Stahl immateriell werden lässt.

    Zusammen mit Tony Cragg, Barry Flanagan und Rachel Whiteread zählt Anish Kapoor zu den Künstler*innen aus der Sammlung Deutsche Bank, die Anfang der 1980er Jahre die britische Bildhauerei revolutionierten - mit neuen Materialien wie Kunststoffen und Pigmenten, mit Werken, die Konzept, Poesie und Transzendenz miteinander verbinden. Dabei schreckt Kapoor vor keiner Dimension zurück: Seine verspiegelte Edelstahlskulptur „Cloud Gate“ (2006) im Millennium Park in Chicago wiegt ganze 110 Tonnen. In der Turbinenhalle der Tate Modern installierte er 2002 eine 155 Meter lange und 35 Meter hohe blutrote Membran. Und auch seine Skulptur für das Deutsche Guggenheim, „Memory“ (2008), im Auftrag der Deutschen Bank und des Guggenheim Museums, war gewaltig. Nahtlos fügen sich 154 Elemente aus Cor-Ten-Stahl zu einer organisch-technoiden, 24 Tonnen schweren Form.

    Anish Kapoor, 'Turning the World Upside Down III', 1996 © Anish Kapoor. All Rights Reserved, DACS 2023

    Anish Kapoor, 'Turning the World Upside Down III', 1996 © Anish Kapoor. All Rights Reserved, DACS 2023

    Der indisch-britische Künstler, mit dem die Deutsche Bank 2008 im Rahmen der Londoner Frieze ein Dinner initiierte, ist mit zahlreichen Arbeiten in der Sammlung Deutsche Bank vertreten. Für die Mitarbeiter des Unternehmens ist aber vor allem seine Stahlskulptur „Turning the World Upside Down III“ (1996) zu einer Art Wahrzeichen geworden, das seit Jahrzehnten die Besucher in der Lobby des Londoner Winchester House empfängt. Wie alle Arbeiten des Turner-Preisträgers wirkt sie auf verblüffende Weise immateriell, schwebend, scheint sich mit jeder Bewegung des Betrachters zu verändern, ist kaum zu fassen. Kapoor schafft Raumerlebnisse, die physisch und metaphysisch zugleich sind. Sein Werk lebt von der Spannung zwischen Form und Formlosigkeit. Gerade diese rätselhafte Vieldeutigkeit verleiht seinen Arbeiten eine fast spirituelle Qualität. Das gilt auch für die Arbeiten auf Papier. Seine mit Pigmenten ausgeführte Gouache Untitled (2001) ist völlig abstrakt, gegenstandslos. Und doch hat das Bild die Kraft eines romantischen Landschaftsgemäldes. Es wirkt wie ein unendlicher Farbraum, dessen kaum fassbare Tiefe nur durch einen verschwommenen Farbstreifen angedeutet wird.

  • Erin O’Keefe: Räumliche Effekte

    Die Leute sprechen oft davon, wie ein Gemälde "konstruiert" ist, aber Erin O'Keefes farbenfrohe, abstrakte Stillleben sind buchstäblich gebaut.

    Erin O'Keefes leuchtende Bilder muten an, wie abstrakte Gemälde. Doch tatsächlich sind es Fotografien, die mit ausgeklügelten Effekten die Sprache der Malerei
    adaptieren - und eine neue Form der Abstraktion für das 21. Jahr entwickeln.

    Man spricht in der Malerei oft darüber, wie ein Gemälde „konstruiert“ ist. Aber Erin O'Keefes abstrakte, leuchtend bunte, abstrakte Stillleben sind im wortwörtlichen Sinne zusammengebaut. Sie werden oft mit Gemälden verwechselt, sind jedoch Fotografien. In O’Keefes künstlerische Praxis fließen Architektur, Modellbau und der Installationskunst mit ein. Der Bildraum ist tatsächlich ein Raum, in dem O‘ Keefe farbig bemalte, geschnitzte oder ausgesägte geometrische Holzformen und -platten arrangiert, um sie dann abzufotografieren.

    Die 1963 geborene Künstlerin, deren Werke 2018 in der Ausstellung "Ways of Seeing Abstraction - Works from the Deutsche Bank Collection" im PalaisPopulaire in Berlin zu sehen waren, und der die Deutsche Bank auf der Frieze New York 2022 eine Einzelpräsentation widmete, hat eine ganz eigene Kunstform entwickelt: Der Schritt von der Drei- zur Zweidimensionalität, das Spiel mit Fläche, Farbe und Form führt die Betrachter*innen geschickt in die Irre, und weckt die unterschiedlichsten Assoziationen. O'Keefes Bilder erinnern an die abstrakte Malerei der klassischen Moderne, des Kubismus, sogar an den Surrealismus. Sie haben etwas Verspieltes, Theatralisches, und dabei eine fast grafische, illustrative Wirkung. Die Werke muten zugleich an, als seien sie digital nachbearbeitet und manipuliert oder ganz am Computer erstellt worden. Die Verbindung der unterschiedlichen Kunstformen und Techniken ist von den Ideen des Bauhauses inspiriert, insbesondere die Farbenlehre von Josef Albers, die sich mit der räumlichen Wirkung von Farbe auseinandersetzt. Zugleich ist O’Keefe aber auch von den täuschenden Raumperspektiven in den Bildern der Frührenaissance fasziniert.

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    Erin O’Keefe, 'Bluebell', 2021, Unique archival pigment print on Hahnemuhle Photo Rag mounted to aluminium © Courtesy of the artist and Seventeen Gallery, London 

    Ihre Auseinandersetzung mit der Malerei ist eng mit anderen Disziplinen verbunden. Zunächst schloss O‘Keefe ihr Studium an der Cornell University mit einem Diplom in Druckgrafik ab. Danach machte sie ihren Master in Architektur, und unterrichtete für 23 Jahre. Schon während dieser Zeit entstanden in ihrem New Yorker Studio vom Kubismus inspirierte Skulpturen, die sie begann zu fotografieren – mit solchem Erfolg, dass sie 2014 ihren ursprünglichen Beruf aufgab und sich ganz ihrer künstlerischen Laufbahn widmete. Welche Raffinesse sie dabei entwickelt hat, kann zeigen Arbeiten wie „Bluebell“ (2021), auf denen O’Keefe Form und Farbe das Wechselspiel zwischen Skulptur und Malerei fast musikalisch modelliert. Doch was so leicht aussieht ist das Ergebnis langen Experimentierens, wie O‘Keefe erläutert: „Mein Arbeitsprozess im Atelier ist ziemlich offen, mit viel Versuch und Irrtum. Kleine Verschiebungen oder Ausrichtungen in einem Stillleben können die Lesart des Bildes verändern, und dieser Moment fühlt sich für mich wie Magie an.“

    Main image: Erin O’Keefe, 'Bluebell', 2021 (detail) Unique archival pigment print on Hahnemuhle Photo Rag mounted to aluminium © Courtesy of the artist and Seventeen Gallery, London

  • Lubaina Himid: Kunst und Aktivismus

    Lubaina Himid spielte eine wichtige Rolle im Black Arts Movement und machte über vier Jahrzehnte Kunst, bevor sie 2017 als erste schwarze Frau mit dem Turner Prize ausgezeichnet und international bekannt wurde. Ihre Werke waren schon zuvor in der Sammlung der Deutschen Bank vertreten - nun ist ihnen im neuen Londoner Hauptsitz ein eigener Raum gewidmet.

    Während große Themen wie Sklaverei, Rassismus, Kolonialismus und Diaspora den historischen Hintergrund von Lubaina Himids Werk bilden, erzählen ihre Bilder, Skulpturen und Installationen meist Episoden aus dem alltäglichen Leben. Mit ihren leuchtenden Farben und ihrem grafischen Stil erinnern sie sowohl an die frühe Pop Art als auch an die handgemalten Ladenschilder Westafrikas. Dabei verweigern sie sich der klischeehaften Repräsentation von Schwarzen in Medien und Kunst. „Ich sehe mich als Malerin, aber auch als Aktivistin“, erklärt Himid. Sie wurde 1954 auf der ostafrikanischen Insel Sansibar geboren und wuchs in Großbritannien auf, wo sie in den 1980er und 1990er Jahren eine wichtige Rolle im Black Arts Movement spielte. Lange Zeit war sie nur Insidern bekannt. Das änderte sich 2017, als sie als erste schwarze Frau mit dem Turner Prize ausgezeichnet wurde. Bereits ein Jahr zuvor erwarb die Sammlung Deutsche Bank Gemälde auf Papier aus Himids Serie "Dreaming has a Share in History“ (2016). 2023 werden Himids Arbeiten aus der Sammlung Deutsche Bank in der Ausstellung „The Struggle of Memory“ im Berliner PalaisPopulaire zu sehen sein. In der neuen Londoner Zentrale wird der Künstlerin ein Konferenzraum gewidmet.

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    Lubaina Himid, 'Dreaming has a Share in History', 2016, Acrylic and pencil on paper © Lubaina Himid. Courtesy of Hollybush Gardens

    Die Struktur der Bilder basiert auf bunten Tüchern, den ‚Kangas‘, die in vielen afrikanischen Ländern als Röcke oder Kleider getragen oder über den Körper drapiert werden. Typisch für diese Tücher sind ornamentale Rahmen mit Motiven wie Palmen oder Blumen, die symbolische Texte, Sprüche, Gebete oder Mottos einrahmen. Statt der üblichen Slogans verwendet Himid auf ihren Kanga-Bildern Zitate von Aktivistinnen und Schriftstellerinnen wie James Baldwin oder Audre Lorde - oder in diesem Fall des deutschen Philosophen und Kulturkritikers Walter Benjamin (1892-1940). Sein Zitat „Das Träumen hat an der Geschichte teil“ hat Himid symbolisch mit Eiern umrahmt, aus denen etwas schlüpfen könnte. Dies ist im doppelten Sinne zu verstehen. Benjamin meinte mit Träumen Utopien, aber auch die Monster, die der „Schlaf der Vernunft“ gebiert, die Schrecken von Krieg, Ausbeutung, Faschismus. Himid weist also auch auf das Gegenteil des Träumens hin: dass wir wach bleiben oder aufwachen müssen, dass wir aufpassen müssen - anstatt die Geschichte, die auf uns zukommt, zu verschlafen.

    Hauptabbildung: Lubaina Himid © Photo: Magda Stawarska

  • Teresa Margolles: Reflexion marginalisierter Gemeinschaften

    Theresa Margolles beschäftigt sich seit jeher intensiv mit dem Tod - genauer gesagt mit Menschen, die durch Armut, Gewalt, Drogen und Verbrechen ums Leben kommen.

    Für ihre Arbeiten hat die ausgebildete Fotografin und Gerichtsmedizinerin in Leichenhallen in Mexiko-Stadt gearbeitet und in ihren Installationen Wasser oder Leinentücher verwendet, die dort zur Reinigung und Aufbewahrung von Leichen dienen. Margolles ist auch Aktivistin. Ihre oft sehr physischen und drastischen Arbeiten fordern Gerechtigkeit und kollektive Erinnerung für die marginalisierten Opfer der alltäglichen Gewalt in Mexiko, von der vor allem Frauen betroffen sind.

    2017 besuchte Margolles die Grenzstadt Cúcuta, wo der Fluss Táchira Venezuela mit Kolumbien verbindet. Aufgrund der extrem schwierigen wirtschaftlichen und politischen Situation in Venezuela ist die Region zu einer Schmuggelzone für Venezolaner geworden, um die in ihrem Land derzeit knappen Grundgüter zu erhalten. Die „Carretilleros", das sind die ehemaligen Arbeiterinnen, die zu "Trocheras“, den Schmugglerinnen, geworden sind und unter großen Gefahren Waren unter der Brücke über die Grenze schmuggeln. Im Dunkeln müssen sie enorme Lasten transportieren, bis zu 60 Kilogramm tragen sie auf dem Rücken. Für "Carretilleras sobre el puente internacional Simón Bolivar" hat Teresa Margolles diese Frauen eingeladen, mit ihrem Arbeitsgerät, der Schubkarre, auf der Brücke zu posieren, um sichtbar zu werden und ihre Widerstandskraft zu demonstrieren.

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    Teresa Margolles, Carretilleras sobre el puente internacional Simón Bolivar, 2017 Digital print on Hahnemuhle Photo Rag paper © Courtesy of the artist and mor charpentier

    Margolles Solidarität gilt auch Transfrauen. Im Jahr 2024 wird sie im Rahmen des renommierten "Fourth Plinth"-Projekts eine Skulptur für den Trafalgar Square in London schaffen. Sie hat ein Werk vorgeschlagen, das die Zahl der Morde an Trans-Personen in der ganzen Welt beleuchtet. Ihre Skulptur mit Gipsabdrücken der Gesichter von 850 Trans-Personen, von denen die meisten in der Sexarbeit tätig sind, versteht sie als "Mauer des Widerstands". Im Laufe der Zeit werden die Gesichter durch das Londoner Wetter verwittern und verblassen und "eine Art Anti-Denkmal" hinterlassen, so Margolles.

    Hauptabbildung: Portrait Teresa Margolles, Courtesy © Rafael Burillo.

  • Kapwani Kiwanga: Beleuchten von Machtstruckturen

    Die in Paris lebende kanadische Künstlerin Kapwani Kiwanga erweitert die Praxis der Minimal Art und der Konzeptkunst für das digitalisierte 21. Jahrhundert. Ihre abstrakten Arbeiten oszillieren häufig zwischen Bild und Objekt und reagieren auf architektonische und soziale Räume.

    Die 1978 geborene Anthropologin und Sozialwissenschaftlerin zählt heute zu den bedeutendsten Künstlerinnen ihrer Generation. Für ihre Projekte arbeitete sie bereits mit dem Stararchitekten David Adjaye zusammen. Dabei reflektiert Kiwanga kritisch das Erbe der Moderne, die ideologische Rolle von Institutionen, Kunst, Design und Architektur. So auch in ihrer Arbeit „Counter Illumination #1“ aus der Sammlung Deutsche Bank, die 2020 in der Ausstellung „Ways of Seeing Abstraction“ im Berliner PalaisPopulaire zu sehen war.

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    Kapwani Kiwanga, "Counter-Illumination #2", 2020 Digital photograph © Kapwani Kiwanga

    Eine weiße, verdrehte Jalousie, eine Bank, ein Kubus, der sich aus verschiedenen Flächen zusammensetzt: transparentes Schwarz, Magenta, Orange, ein durchscheinendes Grau, eine Rauchglasscheibe vielleicht. Man weiß nicht genau, was in diesem eleganten Arrangement vorne oder hinten ist, was „Bild im Bild“ ist. Dann wird einem klar, dass die ganze Konstruktion mit Sehen zu tun hat, mit Hineinschauen und Hinausschauen, mit Privatheit und Öffentlichkeit. „Countrer Illumination“ ist eine der Studien für eine riesige, sich über zwei Stockwerke erstreckende Fotoarbeit, die 2020 im Rahmen des Capture Photography Festivals für die Dal Grauer Substation, ein Umspannwerk in Vancouver, konzipiert wird. Perfekt in das Raster der Glas- und Stahlfassade des 50er-Jahre-Gebäudes eingepasst, wirkte das vergrößerte Foto wie ein ebenso intimer wie völlig konstruierter Einblick - und zeigte, wie abgründig die moderne Vision von öffentlicher Transparenz und Sichtbarkeit im Zeitalter digitaler Überwachung und Manipulation geworden ist.

    Hauptabbildung: Portrait Kapwani Kiwanga, Courtesy © Bertille Chéret.

  • Idris Khan: Mit Bedeutung überfrachtet

    Idris Khan ist seit Jahren mit dem Kunstengagement der Deutschen Bank verbunden. Seine flirrenden Werke sind von Kunst, Philosophie,Sprache, Musik inspiriert. Dabei kann er selbst aus den übertünchten Scheiben von geschlossenen Geschäften große Kunst machen.

    Idris Khan ist mit zahlreichen bedeutenden Werken in der Sammlung Deutsche Bank vertreten. Dazu gehören eine große Wandarbeit in der Niederlassung in Birmingham und eine Auftragsarbeit für den Empfang des New Yorker Hauptsitzes der Bank am Columbus Circle. Seine Arbeiten wurden 2021 in der Deutsche Bank Wealth Management Lounge auf der Frieze London präsentiert. 2020 entwarf er eine Edition, um als erster Künstler das junge Frieze x Deutsche Bank Emerging Curators Fellowship zu unterstützen.

    Khan lässt sich von Literatur, Geschichte, Kunst, Musik und Religion inspirieren, um vielschichtige, oszillierende Werke zu schaffen, die die unterschiedlichsten Erfahrungen von Raum und Zeit reflektieren. Bilder, Texte, Kalligraphien, Partituren überlagert er so, dass durch die Verdichtung von Form und Farbe meditative Abstraktionen entstehen. Seine Quellen sind Kunst, Literatur, Philosophie, Religion und Musik. Khans Foto- und Videoarbeiten, Skulpturen, Arbeiten auf Papier oder Glas reflektieren Vergänglichkeit, Erinnerung, philosophische und theoretische Ideen und haben oft einen sozialen oder politischen Hintergrund, setzen sich mit Migration, kultureller Identität, Trauma und Verlust auseinander.

    Khan, 1978 in der Nähe von Birmingham als Sohn einer walisischen Krankenschwester und eines aus Pakistan stammenden Chirurgen geboren, verbindet in seiner künstlerischen Praxis die Malereigeschichte der Nachkriegsmoderne, das Denken der Minimal und Concept Art mit Einflüssen islamischer und fernöstlicher Spiritualität. Deutlich wird dies in seinen Koran-Bildern, den vom Sufismus inspirierten philosophisch-mystischen Stempelbildern, der intensiven Auseinandersetzung mit Kalligrafie und meditativer Wiederholung.

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    Idris Khan, "The Four Seasons", 2021, Oil and water-based inks on paper and collage mounted onto dibond © Idris Khan.

    Seine Collage „White Windows 11“ ( 2020), in der er Öl, Mixed Media und Tintenstrahldruck kombiniert, entstand nach der Fotoserie White Windows (2017-2019), für die Khan über einen Zeitraum von fünf Jahren die mit weißer Kalkfarbe getünchten Fensterscheiben geschlossener Geschäfte in Großbritannien fotografierte. In den monochromen Arbeiten der Serie überlagern sich jeweils bis zu zwölf Fotografien, wobei eine Schicht die nächste verdeckt. Khan interessiert sich für ein Paradox: Nachdem die Vorbesitzer alle physischen Spuren ihrer Existenz, ihrer Geschichte an diesem Ort beseitigt haben, hinterlassen sie durch das Tünchen des durchsichtigen Glases der Schaufenster eine opake, anonyme Spur, eine Art gestische Handschrift, die von den Nachmietern wieder weggewischt wird. Wenn diese wieder ausziehen, wiederholt sich das Ritual. Die einzige Möglichkeit zu vergessen, die Geschichte quasi auszulöschen, besteht also darin, immer mehr Schichten, immer mehr Erinnerungen hinzuzufügen.

    Hauptabbildung: Portrait Idris Khan, 2022, Idris Khan.

  • Lada Nakonechna: Zwischen Information und Propaganda

    In ihren Zeichnungen und Collagen beschäftigt sich die ukrainische Künstlerin Lada Nakonechna mit der Situation in ihrer Heimat, aber auch der ideologischen Macht der Bilder, die über den Krieg berichten. Heute ist ihr Werk dringlicher denn je.

    Bereits 2014 , kurz nach den Massenprototesten auf dem Maidan, wurden für die Sammlung Deutsche Bank eine Reihe von Nakonechnas Zeichnungen angekauft. 2018 wurden ihre Werke in der Sammlungs- Ausstellung „World on Paper“ im Berliner PalaisPopulaire gezeigt.

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    Lada Nakonecha, “Merge visible. Composition number 43, 2016”, Photography, cut out, pencil © Courtesy of the artist and Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin

    In ihren Werken thematisiert die in Kiew lebende Künstlerin die politische Situation in ihrer Heimat. Dabei gilt ihr Interesse vor allem der Macht und Manipulation der Bilder, ihrem immer ideologischen Kontext, dem Unterschied zwischen Information und Propaganda. Gerade jetzt, angesichts des andauernden russischen Angriffskrieges erhält ihre Arbeit besondere Dringlichkeit. Immer sind es Landschaften oder Architekturen, mit denen Nakonechna in ihren Installationen, Videos, Performances, Bleistiftzeichnungen oder Collagen arbeitet. Sie möchte, wie sie es formuliert, den „konzeptuellen Apparat“ des Betrachters oder der Betrachterin erweitern und sie dafür sensibilisieren, wie sich politische Ereignisse, Kriege und Gewalt in die Realität, ihre Abbilder und unsere Wahrnehmung einschreiben.

    Ein gutes Beispiel dafür ist ihre 2016 entstandene Arbeit „Merge visible. Composition number 43“, die zu einer umfangreichen Serie gehört. Auf den ersten Blick mutet die Collage wie eine abstrakte, konstruktivistische Komposition an. Doch tatsächlich besteht sie aus Fragmenten von Fotografien, die Nakonechna online sammelte. Sie alle zeigen zerbombte, abgebrannte Gebäude aus den ostukrainischen Kriegsgebieten. „Merge visible“ ist eine Funktion von Photoshop, mit der man alle sichtbaren Ebenen zu einer einzigen Ebene zusammenfügen kann. In diesem Sinne begann Nakonechna per Hand mit dem Skalpell alles aus dem ausgedruckten Bild herauszuschneiden, das verbrannt oder zerstört worden war. Erhalten blieben nur noch Fragmente, manchmal auch nur Linien. Nicht ohne Hintersinn spielen diese Collagen auf die russische Avantgarde des frühen 20. Jahrhunderts an, auf den sogenannten „Suprematismus“, der mit der geometrischen Abstraktion Dreidimensionalität, Bewegung, ein neues, transzendentes, Denken für eine neue Gesellschaft vermitteln wollte. Im Gegensatz dazu folgt das Denken von Nakonechna , genau wie das Skalpell in ihrer Hand, dem Weg der Zerstörung und Auslöschung, dem Trauma. Sie versucht metaphorisch, das zu retten, was zu retten ist, die Katastrophe heraus zu operieren. Doch dadurch macht sie auch den Verlust deutlich, die Lücken in der Erinnerung, eine Ganzheit, die für immer verloren ist.

    Hauptabbildung: Lada Nakonecha, “Merge visible. Composition number 43, 2016”, Photography, cut out, pencil © Courtesy of the artist and Galerie EIGEN + ART Leipzig/Berlin

  • Sir John Akomfrah: Neue Erzählungen aus Geschichte und Erinnerung

    Sir John Akomfrah ist einer der wichtigsten britischen Künstler der Gegenwart. Akomfrah war Gründungsmitglied des einflussreichen Black Audio Film Collective, das 1982 zusammen mit den Künstlern David Lawson und Lina Gopaul in London gegründet wurde und mit denen er bis heute zusammenarbeitet.

    Akomfrah hat Jahrzehnte damit verbracht, eine vielschichtige Bildsprache zu entwickeln. Seine Filme kombinieren Archivmaterial, Fotos, neu gedrehtes Material und Wochenschauen zu komplexen filmischen Essays. Bekannt wurde er 2012 mit seiner dreiteiligen Installation "The Unfinished Conversation" (2012), einem bewegenden Porträt des Lebens und Werks des Kulturtheoretikers Stuart Hall. In seiner dreiteiligen Filminstallation "Vertigo Sea" (2015) konzentrierte er sich auf die Unordnung und Grausamkeit der Walfangindustrie und stellte ihr Szenen vieler Generationen von Migranten gegenüber, die auf der Suche nach einem besseren Leben epische Ozeanüberquerungen unternehmen. 2017 präsentierte Akomfrah seine bisher größte Filminstallation "Purple", die sich mit Klimawandel, menschlichen Gemeinschaften und Wildnis auseinandersetzt.

    2017 wurde Akomfrah mit dem renommierten Artes-Mundi-Preis ausgezeichnet. Er hatte zahlreiche Einzelausstellungen u.a. in der Secession, Wien, Österreich (2020); ICA Boston, MA, USA (2019); New Museum, New York, NY, USA (2018); Museo Nacional Thyssen-Bornemisza, Madrid, Spanien (2018); Barbican, London, Vereinigtes Königreich (2017); Tate Britain, London, Großbritannien (2013-14); und MoMA, New York, USA (2011).

    The-Liminality-Triptych-2016-2-redJohn Akomfrah, The Liminality Triptych, 2016, C-type photograph
    © Smoking Dogs Films, All Rights Reserved, DACS 2022 and for Artimage requests: © Smoking Dogs Films, All Rights Reserved, DACS/Artimage 2022. Courtesy Lisson Gallery 2023.

    Die Deutsche Bank begann 2016 Arbeiten von Akomfrahs für die Sammlung anzukaufen. Die Beziehung vertiefte sich im folgenden Jahr, als seine Arbeiten in der Deutsche Bank Wealth Management Lounge auf der Frieze London vorgestellt wurden. Die Lounge-Ausstellung umfasste neue Fotografien und den Film "Auto Da Fé", der mit dem Artes Mundi ausgezeichnet wurde. In seiner epischen Foto- und Videoarbeit "Liminality" (2017) spielt die Landschaft eine zentrale Rolle. In dieser Arbeit untersucht Akomfrah die historischen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des Kolonialismus, indem er geologische und menschliche Zeit kollidieren lässt. Die komplexe, verflochtene Beziehung zwischen der Zerstörung der natürlichen Welt durch den Menschen und der Selbstzerstörung unserer Zivilisation ist ein zentrales Thema in seinem späteren Werk, darunter "Four Nocturnes" (2019).
    Er wurde bei den New Year Honours 2023 für seine Verdienste um die Kunst zum Ritter geschlagen und wird Großbritannien 2024 auf der Biennale in Venedig vertreten.

    Hauptabbildung: John Akomfrah, 2023 © British Council. Photography by Taran Wilkhu.

  • Victoria Fu: Visuelle Grenzen verwischen

    Die Kalifornierin Victoria Fu erzeugt mit ihren Installationen mit Licht, Technologie und Skulpturen völlig neue, immersive Raumerfahrungen. 2019 schuf sie bei der ersten Ausgabe der Frieze Los Angeles eine faszinierende Auftragsarbeit Deutsche Bank Wealth Management Lounge.

    Victoria Fus Arbeiten sind Meditationen über das Sehen, die Wahrnehmung und die Entstehung von Bildern. Die 1978 geborene in San Diego, Kalifornien, lebende Künstlerin verbindet in ihren Installationen Fotografie, Videoscreens, Spiegel, Lichtprojektionen und Neon zu einem Wechselspiel zwischen Objekten, bewegten und unbewegten Bildern. Fu verwendet dafür Clips aus dem Internet, 16mm-Filme oder digitales Videomaterial, das sie in der Postproduktion mit visuellen Effekten bearbeitet. Häufig interagieren ihre Arbeiten mit der umgebenden Architektur.

    In ihren Werken hinterfragt sie unsere Vorstellungen davon, was „real“ und was „künstlich“ ist, und untersucht, welche kulturellen und psychologischen Räume durch die Virtualisierung der Welt entstehen - und wie dies die menschliche Erfahrung verändert. Mit der Verbindung von Lichtkunst und neuester Technologie, der ästhetischen und theoretischen Auseinandersetzung mit Raum, Architektur, Licht, Bild und Landschaft knüpft sie an die Tradition kalifornischer Künstler wie James Turrell, Robert Irwin, Ed Ruscha oder Diana Thater an. “Post-Cinema” ist ein Begriff, der häufig im Zusammenhang mit Fus Werk fällt. Es geht dabei um die Erweiterung der traditionellen kinematografischen Erfahrung hin zu einer immersiven Erfahrung, bei der es keine klaren Grenzen zwischen Betrachter, Medien und „Bildern“ mehr gibt.

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    Victoria Fu, "Circle Prism 1-3", 2017, Archival inkjet print © Victoria Fu

    Nicht zuletzt aufgrund ihrer Arbeit mit Licht, Theatralik und neuen Technologien wurde Victoria Fu von der Deutschen Bank eingeladen, anlässlich der ersten Ausgabe der Frieze Los Angeles 2019 eine Auftragsarbeit für die Deutsche Bank Wealth Management Lounge zu realisieren. Als Reaktion auf die Architektur des Foyers des Paramount Theaters entwickelte sie multimediale Installation, die den Kreis als architektonisches Motiv aufgreift und mit Lichtelementen und Projektionen spielt. Ähnlich wie in ihrer 2017 entstandenen Lithographieserie „Circle Prism“ 1-3 schuf sie damit eine zwischen Abstraktion und Repräsentation oszillierende Erfahrung..


    Für die erste Ausgabe der Frieze Los Angeles hat die in Südkalifornien
    Künstlerin Victoria Fu aus Südkalifornien eingeladen, das
    das globale Engagement der Deutschen Bank für Kunst und
    Engagement der Deutschen Bank für Kunst und Kultur durch eine Installation in der
    in der Deutsche Bank Wealth Management Lounge.
    Die in Kalifornien geborene und lebende Künstlerin Victoria Fu erlebt den
    den eigenwilligen Wechsel des Lichts in der umgebenden Landschaft
    jeden Tag. Aufgewachsen in einer Generation, die sowohl die
    und digitalen Sprachen aufgewachsen, umspannt ihr Interesse am Licht das
    Spektrum, von natürlich bis künstlich. In ihren vielschichtigen
    Installationen verwendet sie Film, Neonlicht, Fotografie, Skulptur
    Skulptur und Video, um den virtuellen Raum der bewegten
    Bilder und unsere haptische Auseinandersetzung mit dem Digitalen.
    Unter Verwendung von Farbe, Maßstab, Bewegung und der Geschichte von
    Film-, Kunst- und Architekturgeschichte, bieten Fus Videos üppige, strukturierte
    strukturierte Bilder und skurrile Gegenüberstellungen, die aus einer Reihe von
    alltäglichen Erfahrungen und Gesten. Optisch verschmelzen
    Aktivitäten des täglichen Lebens mit dem physischen "Berühren" von Bildschirmen
    Bildschirmen auf unseren digitalen Geräten, stellt Fu fest, "wie wir uns als
    Betrachter zu Nutzern werden, indem wir beide miteinander verschmelzen".
    Fus Arbeit erweitert auch das Ethos der kreativen Gemeinschaften
    die interagieren, visuelle Online-Informationen teilen und selektiv nutzen
    Informationen nutzen. Mit Clips aus dem Internet, Original
    16-mm-Film und digitalem Videomaterial, das in der
    mit visuellen Effekten in der Postproduktion bearbeitet, sind ihre
    oft so installiert, dass sie mit der umgebenden Architektur interagieren
    Architektur interagieren und immersive Umgebungen von
    Bilder. Die folgenden Seiten bieten einen Überblick über
    verschiedene Installationen und Projekte der Künstlerin.
    Einführung
    Als Reaktion auf die Architektur des Foyers des Paramount Theaters
    hat Fu eine Installation geschaffen, die den Kreis als architektonisches Motiv aufgreift
    Kreis als architektonisches Motiv aufgreift und verschiedene Elemente des
    Licht. Er manipuliert das an die Decke projizierte Licht, das durch
    das durch die Fenster eindringt und von der Neonskulptur ausgeht,
    schafft der Künstler ein visuelles Wechselspiel zwischen oben und unten
    und unten, Abstraktion und Darstellung, real und virtuell.
    Ihre Erkundung der erfahrbaren Natur von Raum und
    und Licht unter Verwendung heutiger Technologien setzt sie
    einer früheren Generation von kalifornischen Künstlern wie James Turrell
    James Turrell und Robert Irwin und Bildgestaltern
    wie Ed Ruscha, Barbara Kasten und Diana Thater.
    Gleichzeitig setzt Fu auf das Leuchtende und Theatralische
    und das Theatralische, zwei Markenzeichen von Hollywood und den
    Standort der Paramount Studios.
    In der Lounge

    Der Künstler schreibt: "Meine bewegten Bildinstallationen nutzen, übertreiben und simulieren optische Effekte von Licht und Raum als Meditationen über das Sehen, die Wahrnehmung und die Bildgestaltung. Die Installationen mischen Fotografien, Videoleinwände und projiziertes Licht in einem Wechselspiel zwischen Objekten, bewegten und unbewegten Bildern. Die Arbeit ist eine Darstellung von Landschaften, in denen unsere Vorstellungen von dem, was "real" ist, unklar sind, und untersucht die kulturellen und psychologischen Räume des "Post-Kinos" - und die ästhetischen Formeln, die es der virtuellen Welt erlauben, die menschliche Erfahrung zu verändern."

    Victoria Fu ist eine in San Diego lebende Künstlerin, die bewegte Bildinstallationen mit Film und Video herstellt. In ihren Arbeiten verwebt Fu Clips und Ton aus dem Internet mit ihren eigenen Produktionen zu Installationen aus analogen und digitalen Bildern.

    Ein großer Teil ihrer Installationen spricht die zeitgenössische Bildkultur sowie die Relevanz und Präsenz des Bildschirms an. Fu bezeichnet dies als "Screenology". Im Wesentlichen ist Screenology die Idee, dass der Bildschirm seine eigene Geschichte hat, die sich vom projizierten Bild unterscheidet. Dabei müssen wir zwischen der technologischen Entwicklung der Kamera und dem eigentlichen physischen Objekt des Bildschirms unterscheiden. Für Fu geht es nicht um ein Werturteil über die Nutzung des Bildschirms, sondern vielmehr darum, unsere Beziehung zum Bildschirm zu hinterfragen und zu dekonstruieren.

    Die in Kalifornien geborene und lebende Victoria Fu erlebt jeden Tag die eigenwilligen Lichtveränderungen in der sie umgebenden Landschaft. Da sie in einer Generation aufgewachsen ist, die sowohl analoge als auch digitale Sprachen fließend beherrscht, erstreckt sich ihr Interesse an Licht über das gesamte Spektrum, von natürlichem bis hin zu vom Menschen geschaffenem.
    Durch den Einsatz von Farbe, Maßstab, Bewegung und der Geschichte von Film, Kunst und Architektur lässt Fu den Betrachter in ihren vielschichtigen Installationen an einem Hybrid aus Themen und Werkzeugen teilhaben. Mit Hilfe von Film, Neon, Fotografie, Skulptur und Video erforscht sie den virtuellen Raum der bewegten Bilder und unsere haptische Beziehung zum Digitalen. Mit Clips aus dem Internet, originalen 16-mm-Filmen und digitalem Material, das mit visuellen Effekten manipuliert wurde, interagiert ihre Arbeit mit ihrer Umgebung und schafft immersive Umgebungen. Die Künstlerin stellt fest, dass "wir uns als Betrachter verändern, von Zuschauern zu Nutzern in einer Verschmelzung von beidem".

    Main image: Victoria Fu, "Circle Prism 1-3", 2017, Archival inkjet print © Victoria Fu

  • Caline Aoun: materialising the digital

    Die 1983 in Beirut geborene Caline Aoun gehört zu einer Generation junger libanesischer Künstler, die heute die Szene im Nahen Osten prägen. 2018 war sie "Künstlerin des Jahres" der Deutschen Bank. In ihrer Arbeit erforscht sie die Zusammenhänge zwischen digitalen Datenströmen und der materiellen Welt, die uns heute zunehmend in Form von zusammenbrechenden Warenketten oder Ausfällen im Nahverkehr bewusst werden.

    Es ist für uns selbstverständlich, dass wir Google Maps nutzen, Dating-Seiten besuchen oder unsere Bilder in der Cloud speichern: Der globale Datenfluss prägt nicht nur unseren Alltag und unsere Beziehungen, sondern ganze soziale Systeme. Dabei ist die digitale Übertragung von Daten für uns kaum greifbar, ein abstrakter, "unsichtbarer" Prozess.

    Aoun übersetzt Phänomene wie übermäßigen Überfluss, Knappheit, Zirkulation und Akkumulation in abstrakte, reduzierte Kunst. Sie arbeitet mit gewöhnlichen Tintenstrahldruckern, die sie manipuliert, mit Daten oder Papier überfrachtet, bis das System zusammenbricht und "unfreiwillig" abstrakte Bilder produziert. Dies ist in ihrer Arbeit "Cyan, 4 Hours 10 Minutes and 9 Seconds" (2021) der Fall. Wie der Titel schon sagt, entsteht das Bild durch ständiges Überdrucken der monochromen Farbe Cyan über einen Zeitraum von vier Stunden. Das Papier ist überzogen mit Spuren des Druckprozesses, Falten und Schlieren, malerischen mechanischen Gesten, die den physischen Prozess der Datenübertragung sinnlich und sichtbar machen.

    Caline-Aoun-cyan-4hours-red

    Caline Aoun, "Cyan, 4 Hours 10 Minutes and 9 seconds", 2021, Unique inkjet print on Somerset paper © Caline Aoun, courtesy Marfa’projects sal

    Aoun montiert auch riesige, farbenfrohe, leuchtende Wandarbeiten aus A3-Papierbögen, die von manipulierten Druckern hergestellt wurden und an Kirchenfenster erinnern. Sie kreiert Springbrunnen, verbunden durch ein System von Röhren, aus denen zunächst bunte Druckertinte sprudelt, sich aber mit der Zeit immer mehr vermischt und zu einer schwarzen Brühe trocknet. Sie sammelt Daten aus dem Hafen ihrer Heimatstadt Beirut und erstellt daraus Diagramme, die wie abstrakte Berglandschaften aussehen. Die Parallelen zur Weltwirtschaft, zu ideologischen, politischen und wirtschaftlichen Konflikten im digitalen Zeitalter, sind in diesen Arbeiten immer präsent.

    Für ihre Ausstellung Seeing is Believing im PalaisPopulaire in Berlin installierte sie sogar einen Livestream, der Bilder aus dem Hafen von Beirut in die Ausstellung übertrug. Aouns Arbeit bezieht sich auf die Idee, dass Daten wie Wasser zirkulieren, und konzentriert sich auf Themen wie die Verschmutzung der Meere und die Migrationskrise. Der Livestream zeigt zudem auf geradezu visionäre Weise, wie eng Kunst und politische Alltagsrealität miteinander verwoben sind. Nur wenige Monate nach dem Ende der Show, am 4. August 2020, zerstörte eine katastrophale Explosion große Teile des Hafens und verschärfte die große wirtschaftliche und politische Krise im Libanon.

    Für Aoun ist die ständige Flut von Bildern und Daten wie ein "Rauschen", das unser ganzes Leben beherrscht. Anstatt dieses mediale Rauschen zu verstärken, konzentriert sie es in ihren reduzierten, meditativen Arbeiten und gibt ihm eine materielle Dimension. Auf diese Weise will sie neue Erfahrungen schaffen, Formen der visuellen "Stille", die es ermöglichen, Kontexte, die sonst schwer zu fassen sind, zu erfassen und neu zu denken.

    Hauptabbildung: Caline Aoun (detail) © Cherine Karam

  • Jose Dávila: Pionier der Moderne

    Seit über zwei Jahrzehnten widmet sich der 1974 in Mexiko geborene Künstler Jose Dávila dem Erbe der geometrischen Abstraktion, des Konstruktivismus und der Minimal Art. Sein Werk, das sich auf Künstler und Architekten wie Luis Barragán, Josef Albers, Donald Judd, Richard Serra und Tony Smith stützt, ist sowohl eine Kritik als auch eine Hommage an die Avantgardekunst und -architektur des 20. Jahrhundert.

    Seine Skulpturen, Installationen und fotografischen Arbeiten zeichnen sich stets durch ein Spannungsfeld gegensätzlicher Kräfte aus. Dávila, der Architektur studiert hat, schafft Skulpturen, die sowohl Design- und physikalische Prinzipien als auch Bezüge zur Kunstgeschichte vereinen. Dabei bedient er sich unkonventioneller, organischer oder industrieller Materialien, die er miteinander verknüpft, stapelt, dehnt oder in Balance bringt. Er kreiert auch Formen, in die er geometrische Leerstellen schneidet – stets mit einem Hauch von Humor und Melancholie. Ein Beispiel hierfür sind seine Arbeiten aus der "untitled“-Serie von 2018, die für die Sammlung der Deutschen Bank auf der Frieze New York 2022 erworben wurden. In diesen Arbeiten werden die Konturen von Neonwerken des amerikanischen Lichtkünstlers Dan Flavin als ausgeschnittene Räume dargestellt.

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    Jose Dávila, Untitled, 2018. Set of 3 archival pigment prints
    © Jose Dávila, Courtesy: Sean Kelly

    Er erforscht auch, wie die gegenstandslose, geometrische Abstraktion den öffentlichen Raum und unsere Wahrnehmung geprägt hat. Weiterhin untersucht er, wie modernistische Bewegungen übersetzt, adaptiert und immer wieder neu interpretiert oder sogar vergessen wurden. Seine Arbeiten eignen sich oft berühmte Skulpturen oder Architekturen an oder interpretieren sie neu. Im Jahr 2016 referenzierte und "dekonstruierte" er beispielsweise Max Bills Marmorskulptur „Kontinuität“ vor den Deutsche Bank Türmen in Frankfurt mit seinem Werk „Principle of Understanding“, bestehend aus zwei ineinandergreifenden "Kreisen".

    Dávila, der Architektur studiert hat, interessiert sich nicht nur für formale Fragen, sondern auch für die Umgebungen, in denen ikonische moderne Kunstwerke installiert werden. In einigen seiner früheren Arbeiten hat er Formen und Ideen übernommen, um sie anschließend zu variieren und weiterzuentwickeln. In seinen neueren Werken erlebt man eine Renaissance der skulpturalen Möglichkeiten, die er auf zeitgemäße Weise reflektiert und neu umsetzt.

    Hauptabbildung: Jose Dávila Portrait © Agustín Arce, Courtesy: Sean Kelly

  • Sarnath Banerjee: Erforschung der Kunst des Geschichtenerzählens

    Sarnath Banerjee, geboren 1972 in Kalkutta, ist ein renommierter indischer Graphic Novel-Autor, Illustrator und Verleger. Nach seinem Studium der visuellen Kommunikation am Goldsmiths College in London veröffentlichte er im Jahr 2004 sein Debütwerk, „Corridor“. Dieses Buch gilt als eine der ersten indischen Graphic Novels und verschaffte dem Künstler, der heute in Berlin lebt, internationale Anerkennung.

    In seinen späteren Werken setzt sich die Graphic Novel von Sarnath Banerjee intensiv mit Stereotypen, Mythen und moralischen Fragestellungen im zeitgenössischen Indien und in der postkolonialen Welt auseinander. Gleichzeitig zeichnet sich Banerjees Werk durch einen skurrilen, melancholischen Humor aus und bietet eine poetische Kritik an den Mechanismen der Macht.

    Im Jahr 2016 realisierte sein Projekt „An Encounter with Thomas Browne and other Commonplace Utopia“ eine faszinierende Transformation des Büros der Deutschen Bank in Canary Wharf zu einem begehbaren Buch, das 80 großformatige Kunstwerke beherbergte. Für jede der elf Etagen entwickelte er eine Serie von Einzelbildern oder kurzen Sequenzen, die auf großformatige Tapeten übertragen wurden. Diese Werke zeichneten sich durch sparsame Farbakzente aus und präsentierten comicartige Zeichnungen mit pointierten Texten und einer großen Portion absurden Humors. Über die Etagen hinweg entwickelte sich eine Struktur von eigenständigen, aber miteinander verbundenen Episoden.

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    An Encounter with Sir Thomas Browne and Other Commonplace Utopia, 2016 | Wallpaper installation; printed onto rafa canvas © Sarnath Banerjee

    Wie in seinen späteren Werken setzt sich die Graphic Novel mit Stereotypen, Mythen und Moral im zeitgenössischen Indien und in der postkolonialen Welt auseinander. Gleichzeitig zeichnet sich Banerjees Werk durch einen skurrilen, melancholischen Humor und eine poetische Kritik an den Mechanismen der Macht aus.

    2016 verwandelte sein Projekt „An Encounter with Thomas Browne and other Commonplace Utopia“ das Büro der Deutschen Bank in Canary Wharf in ein begehbares Buch mit 80 großformatigen Kunstwerken. Für jede der elf Etagen entwickelte er eine Serie von Einzelbildern oder kurzen Sequenzen, die auf großformatige Tapeten übertragen wurden. Mit wenigen Farben akzentuiert, sind es comicartige Zeichnungen mit pointierten Texten und viel absurdem Humor. Über die Etagen hinweg entfaltet sich eine Struktur von unabhängigen, aber miteinander verbundenen Episoden.

    Wie Banerjees Arbeit von der Literatur der letzten Jahrhunderte inspiriert wurde

    Zu den Lieblingsautoren von Banerjee gehören Fernando Pessoa, Jonathan Swift und Robert Walser. Literatur und Bücher sind in seinem Werk allgegenwärtig. „An Encounter with Thomas Browne and other Commonplace Utopias“ ist daher auch eine Reise durch mehr als tausend Jahre Literaturgeschichte – von al-Kindi, der im 9. Jahrhundert in Bagdad die islamische Welt mit den Schriften von Aristoteles und Platon bekannt machte, bis zu J.A. Baker, der in den 1960er Jahren in Essex einer sehr britischen Leidenschaft für die Vogelbeobachtung nachging.

    Der britische Philosoph und Dichter Sir Thomas Browne (1605-1682), der Banerjee zu seinem umfangreichen Werk für die Deutsche Bank inspiriert hat, war ein Universalgelehrter, der sich mit Wissenschaft und Medizin ebenso beschäftigte wie mit Religion und Esoterik. Außerdem bereicherte er die englische Sprache um Hunderte neuer Wörter wie Computer, Electricity, Hallucination, Medicine, Suicide, und Therapy. Das Auftragswerk wurde nicht nur durch Banerjees Lektüre und Alltagsbeobachtungen auf Reisen inspiriert, sondern entstand auch aus einem Dialog mit Mitarbeitern der Deutschen Bank, mit denen er über Rückzugsorte diskutierte. Daraus entstanden mehrere Zeichnungen von Gärten, in denen sich Banerjee mit der Idee eines privaten Arkadiens, seinen kulturellen oder sozialen Aspekten und dem Wachstum und der Kultivierung von Ideen beschäftigt.

    Historische Illustrationen zur Orientierung und Anregung

    In der 10. Etage des Gebäudes begegneten Mitarbeiter und Besucher verschiedenen Episoden zum Thema „Wandern“. Der Künstler ließ hier verschiedene Figuren der Kulturgeschichte auftreten: Gandhi und Badshah Khan, die gemeinsam für den Frieden marschieren, oder den Philosophen und Flaneur Walter Benjamin. „Die Menschen auf den Zeichnungen“, so Banerjee, „sind wie Sherpas, die einen in einen anderen Gedankengang führen.“

    Hauptabbildung: Sarnath Banerjee © Roanna Rahman

  • Charles Avery: Kartierung einer imaginären Welt

    Im Jahr 2004 begann Charles Avery mit seinem Lebensprojekt „The Islanders“, einer akribischen und tiefgreifenden Erforschung der Struktur und der Potenziale eines alternativen Ortes. In Zeichnungen, Texten und Objekten beschreibt Avery die Bewohner, die Architektur, die Philosophien, die Bräuche und die Eigenheiten dieses fiktiven Territoriums.

    Charles Averys namenlose Insel erinnert an die schottischen Hebriden und zugleich an East London. Doch eigentlich ist sie keine gewöhnliche Insel, sondern ein integraler Bestandteil eines umfassenden Universums, das sich „inmitten eines Archipels aus unzähligen Bestandteilen“ erstreckt. Diese Welt wird von Menschen, gefallenen Göttern und einer undefinierten Spezies namens If'fen bevölkert.
    Die Hauptstadt dieser einzigartigen Insel ist die Hafenstadt Onomatopoeia. Ursprünglich ein Ausgangspunkt für Pioniere und Reisende, erlebte sie im Laufe der Zeit verschiedene Phasen, von einer geschäftigen Boomtown über eine Zitadelle bis hin zu einem von der Depression heimgesuchten Slum. Schließlich erblühte sie erneut zu einer Kulturstadt. Avery dokumentiert die vielen Epochen, die Onomatopoeia durchlebt hat, mithilfe von Architektur, Skulpturen, Schriften und Mythen. Die Szenen des städtischen Lebens, die er in seinem kontinuierlichen Werk zeigt, haben eine gewisse albtraumhafte Qualität. Unheimliche Pflanzen, fantastische monströse Kreaturen, schreckliche Präparate und seltsame Maschinen sind in Geschäften, Museen und öffentlichen Räumen allgegenwärtig.

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    Charles Avery, Untitled, from “That that dogs don’t know they know”, 2000 © Charles Avery. All Rights Reserved, DACS 2023.

    Die Gesellschaft auf dieser Insel folgt eigenartigen Regeln: Quadrate sind verpönt, die Zahl vier wird vermieden, und ein alternatives Zählsystem kommt zum Einsatz. Rechtecke und rechte Winkel sind unerwünscht. Das Trinken erfolgt nicht aus Gläsern, sondern aus gebogenen, röhrenförmigen Gefäßen, die an eine Kreuzung zwischen Tauchvögeln mit langen Schnäbeln und abstrakten Skulpturen erinnern. Gleichzeitig finden sich Anspielungen auf das London der Nachkriegszeit sowie auf die Kultur der 1970er und 1980er Jahre, in der der Künstler aufgewachsen ist. Averys eklektische Welten waren ihrer Zeit voraus, gerade weil sie das Spektakuläre mieden. Die hybride Vermischung verschiedener Epochen, Kulturen, Religionen und Denksysteme mit der Alltagswelt erinnert an aktuelle Science-Fiction- und Fantasy-Serien.

    Charles Avery unterteilt sein Werk in zwei Bereiche: „atomar“ und „mystisch“. Seine "atomaren" Werke sind abstrakt und geometrisch, während seine "mystischen" Werke aus figurativen Bleistiftzeichnungen bestehen. Er kombiniert beide Bereiche, um Fragen der Metaphysik, Mathematik und Philosophie zu erforschen. Besonderes Interesse zeigt er für das Werk des Philosophen Ludwig Wittgenstein, von dem er die Idee eines atomaren und mystischen Ansatzes in der Kunst übernommen hat.

    Hauptabbildung: Charles Avery Charles Avery Portrait 2015 (detail) © Berta De La Rosa